
Die Geschäftsstelle der Kreishandwerkerschaft in Wittmund: Unerwartete Rückforderungen aus Bildungsprojekten haben die Interessenvertretung überrollt.
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Handwerkerschaft in Schieflage
Insolvenzerverfahren der Kreishandwerkerschaft LeerWittmund läuft. Innungen setzen ihren Geschäftsbetrieb fort.
Ostfriesland. Die Kreishandwerkerschaft (KH) LeerWittmund hat am 13. August die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Mittlerweile wurde die vorläufige Verwaltung des Verfahrens angeordnet und Rechtsanwalt Dr. Alexander Naraschewski aus Wilhelmshaven zum Insolvenzverwalter bestellt.
Die Dachorganisation, der 15 Innungen mit rund 500 Meisterbetrieben angehören, ist durch unerwartete Rückforderungen aus EU-Bildungsprojekten der Jahre 2015 bis 2017 in Schieflage geraten. Betroffen sind zwölf Mitarbeiter in den Geschäftsstellen Leer und Wittmund, darunter zwei Auszubildende sowie der Geschäftsführer Thorsten Tooren, der vor knapp einem Jahr seine neue Stelle angetreten hatte.
„Die Entwicklungen sind sehr bitter für die regionale Standortvertretung des Handwerks“, erklärte der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Ostfriesland, Jörg Frerichs, sein großes Bedauern zur derzeitigen Situation. Wie es mit der KH weitergehe, sei noch offen. Die Handwerkskammer werde den Kollegen jedoch – soweit es in ihren Möglichkeiten liege – mit Rat und Tat zur Seite stehen und „helfen, wo es geht“, so Frerichs. Losgelöst von der KH werden die Wittmunder und Leeraner Innungen als eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts ihren Geschäftsbetrieb unverändert fortsetzen, heißt es seitens der KH. Erste Gespräche über einen Zusammenschluss mit der KH Aurich-Emden-Norden stehen im Raum, „aber das sind reine Spekulationen“, so Frerichs. Abzuwarten sei zunächst, zu welchem Ergebnis das Insolvenzverfahren kommt.
Die KH hatte vor vier Jahren viel Lob für Projekte in dem Programm Mobi-Pro EU erhalten. Darin absolvierten Jugendliche aus Rumänien, Portugal, Bulgarien und Spanien Ausbildungen in ostfriesischen Handwerksbetrieben. Fördergelder in sechsstelliger Höhe wurden dafür aus Bonn bereitgestellt. Für die praktische Umsetzung sowie die Abwicklung beauftragte die KH eine Oldenburger Firma. Im Nachgang sind nun aber Ungereimtheiten bei der Prüfung durch die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) des Bundes aufgefallen. Es fehlen wichtige Unterlagen, wie etwa Teilnehmerlisten oder Klassenbücher, die belegen, dass die geförderten Leistungen auch wirklich erbracht wurden.
Die ZVA verlangt nun die Gelder zurück. Der Vorstand sowie die Geschäftsführung sehen sich außerstande, den Forderungen nachzukommen. Lob erhält Thorsten Tooren von Kreishandwerksmeister Jan Denkena (Westerholt) und seinem Stellvertreter Friedrich Lüpkes (Leer) für seine „hervorragende Arbeit in den letzten Monaten“. Tooren habe umsichtig die Geschicke der KH in einer von ihm unverschuldeten Krise gelenkt.
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