Ließen sich das Berufsbildungszentrum der Handwerkskammer Oldenburg zeigen: Das Landeskabinett mit Ministerpräsident Stephan Weil (8.v.r.) an der Spitze sowie die Vertreter aller niedersächsischen Handwerkskammern.
© HWK Oldenburg/T.Heidemann

Handwerk fordert bessere Berufsorientierung

Landeskabinett tauscht sich mit den Spitzen der niedersächsischen Handwerkskammern zu den Rahmenbedingungen des Handwerks aus.

Karl-Wilhelm Steinmann, Vorsitzender der Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen (LHN), begrüßt gemeinsam mit dem Präsidenten der Handwerkskammer Oldenburg, Eckhard Stein, das Landeskabinett am 5. November in den Räumlichkeiten der Handwerkskammer Oldenburg. Nach einer gemeinsamen Besichtigung des Berufsbildungszentrums der Kammer, lobt der LHN-Vorsitzende, dass die Landesregierung der beruflichen Bildung im Handwerk mit der Meisteranerkennungsprämie eine besondere Wertschätzung, die auch bundesweit auf Aufmerksamkeit gestoßen ist, entgegengebracht hat. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Akademisierung sind allerdings weitere Schritte zu unternehmen, um im Zuge des Fachkräftemangels wieder mehr junge Menschen für den beruflichen Bildungsweg zu begeistern.

Ministerpräsident Stephan Weil betonte: „Ein Handwerk zu erlernen ist klug und weitsichtig! Mehr als 83.000 Handwerksunternehmen in Niedersachsen sorgen u.a. dafür, dass bei uns solide gebaut wird, dass in Haus und Hof alles funktioniert, dass wir uns fortbewegen können, dass gutes heimisches Brot und Fleisch auf dem Tisch steht und dass es tollen Schmuck, Kleider und Schuhe ‚made in Niedersachsen' gibt. Herzlichen Dank dafür! Rund 44.000 Auszubildende tummeln sich in 130 handwerklichen Berufsfeldern. Vielen Dank für Ihr Engagement! Ein Beruf mit Zukunft, eine gute Wahl! Übrigens: Das Lohnniveau im Handwerk steigt bereits seit einigen Jahren stetig an!"

Die wirtschaftlichen Unsicherheiten im Umfeld Deutschlands machen sehr deutlich, wie wichtig eine starke Binnenwirtschaft ist. Nach spürbaren Umsatzsteigerungen in den letzten Jahren erwartet das niedersächsische Handwerk mit Jahresende 2019 einen Zuwachs der Umsätze im Vergleich zum Vorjahr um 3 % auf knapp 59 Milliarden Euro. Leider bleibt der Mangel an qualifizierten Handwerkerinnen und Handwerkern eine zentrale Wachstumsbremse.

Vor diesem Hintergrund stehen im Mittelpunkt des gemeinsamen Austausches mit der Landesregierung Fragen zur Verbesserung der Berufsorientierung, der Sicherung der Qualität der Berufsschulen und der überbetrieblichen Bildungsstätten. Letztere sorgen dafür, dass auch in kleineren Betrieben in der gesamten Bandbreite eines Berufes ausgebildet wird. Die über 50 überbetrieblichen Bildungsstätten des Handwerks haben damit eine besondere Bedeutung für die hohe Qualität der handwerklichen Ausbildung. Besonders positiv bewertet das niedersächsische Handwerk die im September eingeführte Meistergründungsprämie, die junge Unternehmerinnen und Unternehmer auszeichnet, die im Rahmen ihrer Existenzgründung im Minimum ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis schaffen. Ziel der Landesregierung ist es, mit dieser Form der Förderung speziell nachhaltige Existenzgründungen zu unterstützen.

„Mit über 50 Milliarden Euro Umsatz ist das Handwerk die Wirtschaftsmacht von nebenan'. Erst im Sommer haben wir mit dem Handlungskonzept Mittelstand und Handwerk ein ressortübergreifendes Arbeitsprogramm auf den Weg gebracht, um Mittelstand und Handwerk zu stärken. Wir wollen mit gezielten Maßnahmen den rückläufigen Zahlen der Meisterprüfungen und der Meisterbetriebe entgegenwirken. Daher haben wir mit der Meisterprämie und der Gründungsprämie eine klare Meisteroffensive gestartet", macht Minister Dr. Bernd Althusmann deutlich. „Die Meisterausbildung sichert die hochwertige Ausbildungsqualität, die Innovationskraft des Handwerks und stärkt dadurch auch den Wirtschaftsstandort Niedersachsen. Bisher sind über 3700 Anträge und damit rund 15 Millionen Euro für die Meisterprämie bewilligt. Wir haben uns daher ganz klar dafür entschieden, dass diese Erfolgsgeschichte weitergehen soll – die Meisterprämie wird ab Januar 2020 für weitere drei Jahre verlängert, wir haben hierfür bereits 10 Millionen Euro pro Jahr eingeplant."

Wichtig ist den Handwerkskammern auch die Fortführung der vom Land geförderten Nachfolgemoderatoren, die in den Handwerkskammern neben der betriebswirtschaftlichen Beratung den Handwerksbetrieben im Generationswechsel unterstützend zur Seite stehen.

Mit Blick auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen begrüßen die Handwerkskammern die Einführung des sogenannten Digitalbonus. Gerade für kleinere Handwerksbetriebe ist die Digitalisierung der innerbetrieblichen Prozesse von der Auftragsannahme bis hin zur Auftragsausführung eine besondere Herausforderung. Dass die Betriebe im Handwerk über erhebliche Innovationspotenziale verfügen, machen die Handwerkskammervertreter anhand von Best-Practice Beispielen deutlich. Ein wichtiges Programm, welches auch in der kommenden EU-Strukturfondsförderung fortgesetzt werden sollte, ist dabei die Innovationsförderung, die speziell auf die Anforderungen von Handwerksbetrieben ausgerichtet ist und als eines unter vielen Forschungs- und Entwicklungsförderprogrammen das Handwerk auch tatsächlich erreicht.

Schließlich sieht das niedersächsische Handwerk die Notwendigkeit, dass das Land neben dem Klimaprogramm der Bundesebene in Niedersachsen eigene Akzente setzt. Nach Einschätzung der Handwerksvertreter kann ein richtiges Klimagesetz ein Umwelt-, Wirtschafts- und Beschäftigungsprogramm sein. Eine unausgewogene Belastung des kleinbetrieblichen Sektors, zum Beispiel im Rahmen der EEG-Umlage, wird vom Handwerk abgelehnt. Speziell bei der lange vom Handwerk geforderten, steuerlichen Förderung energetischer Maßnahmen setzen die Vertreter auf eine aktive Unterstützung durch das Land.

Mit Blick auf die europäische Ebene wünschen sich die Vertreter des Handwerks, dass auf Landesebene ein Arbeitskreis eingerichtet wird, der sehr frühzeitig über wirtschafts- und handwerkrelevante europäische Vorhaben informiert und ins Gespräch bringt. Die von Minister Althusmann geplante Einrichtung einer Clearingstelle Bürokratieabbau bewerten die Handwerksvertreter im Grundsatz positiv. Überflüssige Bürokratie darf nicht dazu führen, dass die unternehmerische Begeisterung zunehmend im Keim erstickt wird. In der Bewältigung der wachsenden Bürokratie liegt für die Betriebe die größte wirtschaftspolitische Herausforderung.