Der angehende Tischler Hendrik van der Wielen, Wangerland (vorne), bearbeitet ein altes Fenster. Lars Böhner (r.) vom Monumentendienst erklärt den Besuchern die Aufgabe (von links): Landrat Holger Heymann, Bente Juhl, Oberstudiendirektorin Christine Steinröder und Thorsten Tooren, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft LeerWittmund ©HWK/W.Feldmann

Ostfriesische Gebäudekultur bewahren

Berufsschüler entdecken alte Handwerkstechniken neu. Monumentendienst fördert den Erhalt historischer Bauten.

Ostfriesland. Mit dem digitalen Zeitgeist gehen, aber auch altes, traditionelles Handwerk bewahren: Gar nicht so einfach, diesen Spagat in den Lehrberufen zu vermitteln. Dennoch haben sich die Berufsbildenden Schulen Wittmund dies nach Aussage von Oberstudiendirektorin Christine Steinröder auf die Fahnen geschrieben. Tatkräftige Unterstützung erhält die Schule vom Monumentendienst der Stiftung Kulturschatz Bauernhof mit Stammsitz in Ahlhorn.

Die Organisation hat das Projekt „Vergangenheit hat Zukunft – Perspektive historisches Handwerk“ ins Leben gerufen, um gezielt Berufsschüler im Weser-Ems Gebiet für das Thema zu sensibilisieren und Anreize zu setzen, sich in dem Fach weiterzubilden. Beispielsweise könnten sie die Laufbahn zum Restaurator im Handwerk einschlagen oder spezielle Fortbildungszentren für Handwerker besuchen. Nach einer Auftaktveranstaltung an den BBS II in Leer durften nun Auszubildende im zweiten und dritten Lehrjahr im Maurer- und Tischlerhandwerk in Wittmund für einen Tag in alte Handwerkstechniken hineinschnuppern und den Umgang mit historischen Bauelementen und natürlichen Materialien kennenlernen. Bei den Maurern stand bereits im Dezember der erste Workshop auf dem Programm. Es wurden alte Ziegel erkundet, den Epochen zugeordnet und Mauern mit selbst angerührtem Mörtel aus Muschelkalk errichtet.

„Wir wollen Impulse setzen, damit die angehenden Handwerker lernen, altes Kulturgut zu erkennen und zu bewahren“, sagte die Projektleiterin Bente Juhl vom Monumentendienst während eines Treffens in der Tischlerwerkstatt. Anstatt ständig zu ersetzen und wegzuwerfen, sei umweltschonendes Arbeiten mit historischen Bausubstanzen die Devise. Erste Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. „Meine Schüler haben sich begeistert in die Praxisaufgabe gestürzt“, berichtete Klassenlehrerin Susanne Boyken von den 13 Tischler-Azubis. Im Arbeitsalltag bauten die Lehrlinge häufig im Akkord Fenster und Türen in Neubauten ein, erklärte sie. Im Kontrast dazu stand das Projekt, alte Bauernhausfenster und Türen zu erneuern. Fensterkitt und Lackreste wurden entfernt und handgefertigtes Glas ersetzt. „Das hat bleibenden Eindruck hinterlassen“, ist sich Susanne Boyken sicher.

Das Land Niedersachsen fördert die Workshop-Reihe mit 10.000 Euro im europäischen Förderprogramm „European Culture Heritage Year 2018“. Noch bis Ende 2019 sollen etwa 25 Veranstaltungen im Raum Weser-Ems veranstaltet werden. Für die Unterstützung des Landkreises Wittmund und der Kreishandwerkerschaft LeerWittmund bedankte Bente Juhl sich bei Thorsten Tooren, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft LeerWittmund und Landrat Holger Heymann.
„Wir brauchen die Baudenkmäler und damit Fachkräfte, um unsere Region attraktiv zu halten. Vor diesem Hintergrund ist es ein tolle Aktion, welche über die Grenzen Wittmunds hinaus eine hohe Strahlkraft erzeugt“, lobte Heymann während des Gesprächs.

Die ostfriesische Landschaft ist reich an alten Gemäuern. Rund 4000 Baudenkmäler sind nach Angaben des Monumentendienstes offiziell gelistet. Hinzu kommen erhaltenswerte, historische Gebäude, etwa ab  Baujahr 1950, wie Villen, Mühlen, Leuchttürme, Kirchen, Bauernhöfe, Herrenhäuser, Gulfhöfe oder Bürgerhäuser. Handwerker hingegen, die die traditionellen Arbeitstechniken beherrschten und sich um den Erhalt fachgerecht kümmern könnten, seien rar gesät. „Es herrscht ein regelrechter Notstand“, berichtete Bente Juhl. Bauherren richteten sich teils verzweifelt an den Monumentendienst auf der Suche nach Spezialisten. Dies sei auch eine Folge des Fachkräftemangels. „Die alten Meister sterben aus und können ihr Wissen den jüngeren nicht mehr vermitteln.“ Wenn dieses Knowhow um verwendete Materialien und althergebrachtes Handwerk verloren geht, „wird ein Stück unserer Kultur und unserer Geschichte unwiederbringlich zerstört und das wäre einfach nur traurig“, sagte die Pressesprecherin.

Nähere Informationen zum Monumentendienst gibt es unter www.monumentendienst.de

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