
Mit dem Verkabeln von Schaltkästen kennt er sich bestens aus: Elektroniker-Azubi Ibrahima Keita aus Westoverledingen.
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Zu Fuß auf dem Weg ins Handwerk
Von Guinea nach Ostfriesland: Elektroniker-Azubi Ibrahima Keita zeigt, wie Mut und Leidenschaft neue Chancen schaffen können. Von der Handwerkskammer wurde er jetzt zum Lehrling des Monats ernannt.
24. Juni 2025
Ostfriesland. Mit Strom kennt er sich aus: Während andere noch nach der Steckdose suchen, sorgt Ibrahima Keita aus Westoverledingen längst für die richtige Spannung. „Alles was mit Elektrotechnik zu tun hat, hat mich schon immer fasziniert“, sagt der gebürtige Afrikaner selbstbewusst. Zwischen Schaltplänen und Sicherungskästen beweist der angehende Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik täglich sein handwerkliches Geschick und sein technisches Verständnis. Denn egal ob Kabelsalat oder Schaltplan-Wirrwarr – Ibrahima behält stets den Überblick. Mit der Begeisterung für sein Handwerk bringt der 30-Jährige nicht nur Licht ins Dunkel, sondern auch frischen Wind in seinen Ausbildungsbetrieb „Horst Fischer Elektrotechnik“ in Westoverledingen und das, obwohl er erst im ersten Jahr seiner Ausbildung ist. Von der Handwerkskammer für Ostfriesland ist er jetzt zum Lehrling des Monats Juni ernannt worden.
„Sie sind das beste Bespiel dafür, was man mit Ehrgeiz, Wissbegierde und Leidenschaft alles erreichen kann. Machen Sie weiter so“, gratuliert Jörg Harms, Ausbildungsberater der Handwerkskammer, während der Urkundenübergabe im Ausbildungsbetrieb von Ibrahima. Der gleichen Meinung ist auch Chef und Ausbilder Horst Fischer. „Egal welche Aufgabe man ihm gibt, er löst sie ohne große Probleme. Man merkt einfach, dass er seinem eigentlichen Lernstand weit voraus ist“, sagt er sichtlich stolz.
Doch bis hierhin war es kein leichter Weg für den jungen Handwerker. Denn vor etwa vier Jahren sah sein Leben noch ganz anders aus. Zu dieser Zeit arbeitete er in seiner Heimat Guinea als Mobilfunkinstallateur, nachdem er sein Bachelorstudium im Bereich Telekommunikation erfolgreich abgelegt hatte. „Das war mir aber noch nicht genug. Ich wollte mehr. In Guinea fehlte mir aber die Perspektive, mich weiterzuentwickeln“, erzählt er. Also entschied er sich Anfang 2022 in die Ukraine zu gehen, um dort Informatik zu studieren. Aber schon kurz nach seiner Ankunft startete Russland seinen Angriffskrieg auf das Land und Ibrahima war klar: „Hier kann ich auf keinen Fall bleiben.“
Somit musste eine Alternative her und da ein Teil seiner Verwandtschaft in Hamburg lebt, fiel seine Wahl schließlich auf Deutschland. Jedoch fehlten ihm die finanziellen Mittel, um zu reisen und so machte er sich zu Fuß auf den Weg. Nach mehreren Wochen und einer Zwangspause in Polen – sein rechter Fuß war vom vielen Laufen so angeschwollen, dass er nicht mehr richtig auftreten konnte – erreichte er schließlich Deutschland und landete nach mehreren Zwischenstationen in Ostfriesland.
Zeit, um sich von seiner kräftezehrenden Reise zu erholen, nahm er sich keine, im Gegenteil. Kaum angekommen begann er an der Volkshochschule Leer einen Deutschkurs – er sprach zu dem Zeitpunkt nur Französisch – recherchierte nach Ausbildungsplätzen im Handwerk und schrieb zahlreiche Bewerbungen. „Das waren überwiegend Stellen, die meinem ursprünglich erlernten Beruf ähnelten. Trotzdem habe ich nur Absagen erhalten“, berichtet er.
Das ging so lange, bis sich Ali Koné, Vorsitzender der Afrikanischen Diaspora in Leer, seiner annahm und den Kontakt zu seinem heutigen Ausbildungsbetrieb herstellte. Horst Fischer musste nicht lange überlegen, nachdem ihm Koné den jungen Mann vorstellte. „Ich habe schnell gemerkt, dass Ibrahima durch sein Studium schon jede Menge Wissen mitbringt und auch menschlich eine Bereicherung für unser Team sein würde“, betont der Handwerksmeister.
Der 60-Jährige hat seinen Betrieb vor rund 22 Jahren gegründet. Neben den klassischen Elektroarbeiten hat sich das Unternehmen vor allem auf die Bereiche Netzwerktechnik, Telekommunikation und Gebäudeintegration spezialisiert. „Wir sorgen dafür, dass alle Systeme innerhalb eines Gebäudes miteinander harmonieren, um so die Umweltbelastung eines Gebäudes zu reduzieren und die Energieeffizienz zu erhöhen“, erklärt Fischer. Unterstützung erhält er dabei von einem weiteren Meister, drei Gesellen, seinen beiden Azubis und einer Bürokraft. Bei der Größe seines Teams ist ihm vor allem eine familiäre Atmosphäre wichtig. Und so hat er Ibrahima nicht nur einen Ausbildungsplatz ermöglicht, sondern ihn auch gemeinsam mit seiner Büroangestellten Bettina Schadek bei einigen Behördengängen unterstützt. „Für uns ist das selbstverständlich. Wir sind wie eine kleine Familie“, erklärt der Elektroinstallateurmeister.
Mit der Ehrung zum Lehrling des Monats weist die Handwerkskammer auf die Chancen und Perspektiven einer Ausbildung im Handwerk hin. Jeder Betrieb kann einen Vorschlag einreichen. Bewerbungsunterlagen gibt es unter www.hwk-aurich.de/lehrling-des-monats. Ansprechpartner ist Jörg Harms, erreichbar unter Telefon 04941 1797-77 oder per Mail j.harms@hwk-aurich.de.
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